Der ursprüngliche Plan für den Wildgärst-Tag war ja mal, dass wir um 8 Uhr oben auf dem Gipfel stehen. Die gestrige Morgenstimmung weckte jedoch den Sonnenaufgangs-Fotografen in mir. Nach kurzer Rücksprache mit Dani beschloss ich somit, die Ankunftszeit um eine Stunde vorzuverlegen. Wir waren uns einig, dass es wirklich keine Rolle spielte, ob wir nun um 2 oder 3 Uhr aufstehen mussten. Gesagt getan, der Wecker klingelte mitten in der Nacht. Da hilft bei mir nur eines: beim ersten Ton sofort auf die Bettkante sitzen und mal kurz durchatmen. „Snoozen“ ist ja grundsätzlich kontraproduktiv, würde jedoch um diese Zeit im Fiasko enden. Sprich, ich würde wohl wieder einpennen und müsste durch meinen Bruder rausgeklopft werden (wir hatten aufgrund dessen, dass wir die einzigen Gäste im Hotel waren, beide je ein Zimmer bekommen).
Kurz vor halb drei erreichten wir das Ende des motorisierten Aufstiegs zum Wildgärst, die Schwarzwaldalp. Dort angekommen stellte ich fest, dass ich Held fast alle meine Jacken im Hotel vergass. Einzig die sehr dünne „Aufstiegs“-Jacke sowie die leichte Daunenjacke waren mit dabei. Ein kräftiges Fluchen hallte durch das Rosenlauital und machte den röhrenden Hirschen in der Brunft Konkurrenz. Glücklicherweise habe immer eine Notjacke im Auto, welche dadurch heute zu ihrer grössten Reise ausserhalb des Autos aufbrechen durfte. Im Zimmerschrank des Hotels hingen zu diesem Zeitpunkt und für den Rest des Tages übrigens 3 Jacken und 2 Gilets… Top! 🙂
Die Wanderung auf den Wildgärst kannte ich ja bereits von meinem „Testlauf“ vor fast exakt einem Monat. Fotos vom Austieg bei (halbwegs) Tageslicht sowie Karten und Tourenübersicht sind dort zu finden. Im Gegensatz zum 12. September war ich heute mit einem wesentlich schwereren Rucksack unterwegs. So rund 20 Kilogramm wog das Teil, was aber auch nur dank der tatkräftigen Mithilfe meines „Sherpas“ Dani möglich war. Der schleppte nämlich sämtliche Getränke und Esswaren hoch, zusätzlich noch ein kleines Stativ für die Fotos am frühen Morgen. Dank der mittlerweile reichen Bergerfahrung rannten wir nicht gleich los wie wenn es kein Morgen gibt. Ein Fuss vor den anderen, schön gemütlich war das Motto.
Noch war es völlig dunkel, nur ziemlich weit oberhalb von uns entdeckten wir das Licht einer Stirnlampe. War doch tatsächlich so eine Wildsau noch vor uns losmarschiert! Vom restlichen Aufstieg gibts keine Lichtbilder, ja wie auch…? Es war ja kein Licht vorhanden. Ok, der eindrückliche Sternenhimmel hätte ein traumhaft schönes Foto gegeben. Aber ich trottete fast wie in Trance langsam und stetig bergan und wollte den Rhythmus auf keinen Fall unterbrechen. Sterne kann ich auch bei anderer Gelegenheit wieder fotografieren…
Knapp vier Stunden und auch damit exakt nach Zeitplan trafen wir kurz vor sieben Uhr auf dem Wildgärst ein. Es stellte sich heraus, dass wir bei weitem nicht die Ersten waren. Ob die wohl gleich hier oben übernachteten? Zelten ist im Übrigen hier oben nicht gestattet, da es sich um eine Wildschutzzone handelt. Entsprechende Überlegungen können somit gleich wieder begraben werden. Die Aussicht war schlicht grandios, im Osten wurde es langsam hell, im Westen noch Nacht und weit unten im Tal wachte man langsam auf. Wir zogen uns sofort um, durchschwitzte Kleider wurden durch trockene ersetzt. Dies war auch bitter nötig, denn der Föhn blies unerbittlich über den Gipfel. Gerade mal +1 Grad zeigte mein Thermometer bei der Ankunft. Nun war ich definitiv froh, meine Notjacke mit hoch geschleppt zu haben!
Unterdessen war seit unserer Ankunft bereits eine Stunde vergangen. Im Osten kämpfte die Sonne mit den bedrohlich aufziehenden Wolken. Sie setzte sich schliesslich durch und ihre Strahlen waren auf dem kalten Berg hochwillkommen. Auch unten bei den Zuschauerzonen beim Schiessplatz kamen die ersten wärmenden Sonnenstrahlen an und sorgten für spezielle Aufnahmen.
Das Fotoequipment und ich waren nun „eingeschossen“, das Morgentraining konnte meinetwegen beginnen. Nur hatte da der Bodennebel in Meiringen etwas dagegen. Normalerweise beginnt jeweils um neun Uhr das morgendliche Schiesstraining. Doch es blieb ruhig. Sehr ruhig sogar. Erste grosse Ernüchterung bei den paar Anwesenden hier ober auf dem Wildgärst. Morgentraining leider abgesagt. Sehr schade! Insbesondere, weil wir unten kaum Nebel sahen. Nun, es blieb nichts anderes übrig, als sich damit abzufinden und den Nachmittag abzuwarten. So bot sich die Chance, den verpassten Schlaf etwas aufzuholen. Angesichts des noch immer sehr garstigen, kalten Windes hier oben aber leichter gesagt als getan. Und zwischendurch nahm ich immer mal wieder die Kamera zur Hand und fotografierte, was halt gerade so vor die Linse kam…
Gerade als auch ich etwas eingenickt war, hörte ich im Halbschlaf jemanden „Tiger im Anflug“ rufen. Ihr hättet sehen sollen, was das auf dem Berg auslöste. Die gesamte Herde (mich natürlich eingeschlossen) stürzte mit ihren Kameras zur Bergkante, um wenigstens diesen einen vormittäglichen Jet zu erwischen. Nun, der Tiger flog einfach mal kurz von Ost nach West über den Schiessplatz und verschwand wieder so schnell wie er aufgetaucht war. Die Aufregung war somit fast umsonst, sorgte jedoch für Blutzirkulation im eher unterkühlten Körper.
13:15 Uhr, die Anspannung wurde nun deutlich seh- und fühlbar. Noch immer strömten Dutzende von Berggängern dem Gipfel entgegen. So langsam machte auch ich mir Gedanken, wo genau ich mich denn nun postieren sollte. Nicht, dass ich dann schlussendlich trotz sehr früher Ankunft kaum noch Platz an der Bergkante finden würde! So begab ich mich nach vorne zu den Logenplätzen und breitete meine Ellbogen vorsorglich mal aus.
Nun galt es also ernst. Mein Bruder meinte noch, dass ich jetzt aufgrund des ausgefallenen Morgentrainings noch mehr unter Druck stehen würde, vernünftige Bilder zu liefern. Wo er recht hatte, hatte er recht! Man schleppt ja nicht mitten in der Nacht tonnenweise Material nach oben, um dann mit ein paar unscharfen Fotos den Heimweg antreten zu müssen. Also: volle Konzentration!
Ob ihr’s nun glaubt oder nicht: hauptsächlich für diese paar Sekunden kämpft man sich auf den Wildgärst. Aber das Erlebnis ist unbeschreiblich! Die Jets ziehen gleich nach der Schussabgabe nach oben, steuern direkt auf einen zu, legen sich auf den Rücken und donnern kurz darauf über die Köpfe der Zuschauer, tauchen wieder runter ins Reichenbachtal und holen Anlauf für einen neuerlichen Anflug. Hier nochmals das Video, welches ich bereits letztes Jahr verlinkt habe. Bringt das Gefühl ziemlich gut rüber, wie ich finde.
Es folgten die anderen Programmpunkte der Flugshow. Der Super Puma zog wieder seine Runden, was aber vom Wildgärst her schlicht zu weit weg ist um für Eindruck zu sorgen. Daraufhin demonstrierte die Luftwaffe, wie im Rahmen des Luftpolizeidienstes die Kontrolle eines unbekannten Fliegers durchgeführt wird.
Der folgende Auftritt der Tiger war mit etwas Wehmut verbunden. Diese nahmen dieses Jahr letztmals am Fliegerschiessen teil, dienen ab nächstem Jahr nur noch als Helfer wie z.B. auch in der Patrouille Suisse. Deren Schiessprogramm war jedoch dieses Jahr ziemlich speziell und anspruchsvoll. Sowohl für die Piloten als auch für mich als Fotografen. Irgendwie beschlich mich das Gefühl, mit dem Objektiv ständig in eine Richtung zu zielen, wo kein Flieger war. Tja, ein zwei Aufnahmen sind gelungen, insbesondere eine Serie macht mir Freude.
Dani und ich entschieden uns bereits am Morgen, den um 17:23 Uhr auf der Grossen Scheidegg fahrenden Bus anzupeilen. Dies erspart einem 500 Höhenmeter Abstieg, bedingt jedoch ein vorzeitiges Verlassen des Bergs. Ich rechnete mit gut zwei Stunden Wanderzeit, und so packte ich meine Fotoausrüstung bereits eine halbe Stunde vor dem Showende in den Rucksack. Zu diesem Zeitpunkt stand noch die Patrouille Suisse auf dem Programm. Schien mir vertretbar, da ich das ganz exklusive Motiv der knapp am Wildgärst vorbeifliegenden Jets im Kasten hatte.
Das wunderbare Herbstwetter begleitete uns den ganzen Tag hindurch. Einzig der hartnäckige Wind auf dem Wildgärst hätte nicht sein müssen. Als wir auf der Grossen Scheidegg ankamen, waren jedoch wieder sämtliche Körperteile auf Temperatur. Die letzten drei wieder etwas leicht ansteigenden Kilometer mussten recht zügig angegangen werden, sonst wäre uns das Postauto vor der Nase weggefahren. Doch wir schafften es und auch ich war geschafft. Und zwar wie! Glücklich zwar, aber sehr müde. Meinen Rucksack brachte ich am Ziel auf der Schwarzwaldalp kaum noch zum Bus raus, fragte mich nachträglich, wie ich den wohl die letzten paar Stunden runtergetragen habe. Aber nun lag er im Kofferraum meines Autos und wir gingen über zum kulinarischen Teil des Abends. Inklusive Cremeschnitte nach Art des Hauses.
Wir waren aufgrund der Tatsache, während des gesamten Tages nirgends an einen Kaffee kommen zu können, noch stark unterkoffeiniert. So entschieden wir uns auf der Fahrt runter ins Tal beim antiken Hotel Rosenlaui gleich nochmals einzukehren. Speziell für uns wurde nochmals die Maschine gestartet und so genossen wir einen letzten Kaffee auf der Terrasse des Hotels. Ein schöner Ausklang eines erlebnisreichen und tollen Tages!
Noch für die Statistik-Interessierten die Daten des Aufstiegs:
Danke für die tollen Fotos.
War auf dem Faulhorn..nicht so nah dran, aber ein schöner Ausblick und genug platz.Abstieg nach Bussalp ist kürzer und letzter Bus am 17.45.Gruss Hans
Hallo Hans, besten Dank für das Kompliment. Gerne geschehen! 🙂
Das Faulhorn werde ich eventuell im nächsten Jahr in mein Programm aufnehmen.
Gruss, Erich
Mit einem letzten Blick auf den Blog habe ich die Bilder von Tag 4 konsumiert. Wieder tolle Aufnahmen, gratuliere, auch dem Sherpa fürs Schleppen. Trotzdem kam ich zum Schluss, dass ich auch nächstes Jahr nicht mitkommen werde. Gruss vom Gäu